Fünf Fragen an...
24.09.2024: Professor Oliver Ullrich ist Direktor des Space Hub der Universität Zürich. Ein oft genanntes Beispiel für seine innovative Forschung ist die Produktion von menschlichem Gewebe in der Schwerelosigkeit. In den nächsten Dekaden werde der erdnahe Raum viel intensiver genutzt werden als bis anhin, sagt Ullrich im Interview.
Was genau ist der Space Hub?
Der Space Hub ist der Innovations-Cluster der UZH für Luft- und Raumfahrt. Er vereint die verschiedensten Space-Bereiche der Universität mit den Schwerpunkten Biotechnologie, Medizin, Erdbeobachtung, Fernerkundung, Astrophysik und autonomes Fliegen und autonome Navigation. Der Space Hub war bis anhin eine Netzwerkstruktur, die Brücken zwischen den Disziplinen schlägt. Mit diesem neuen Standort haben wir die Möglichkeit, an einem physischen Ort Innovationen, Anwendungen und Tests durchzuführen. Wir bauen einen Inkubator auf, der Forschung, Technologie und Wirtschaft verknüpft und den Weg für zukünftige Innovationen ebnet. Wir bringen Teams mit der Industrie in Kontakt und machen der Industrie klar, welches hervorragende Potenzial bei uns besteht. Start-ups können bei uns Flächen oder Laborzugang mieten und hier ihre Ideen umsetzen. Wir stellen als Innovationscluster unsere Expertise, Erfahrung und Netzwerke zur Verfügung.
Welche Vorteile hat es, dass sich der Standort im Innovationspark befindet?
Wir sind hier mitten in einer der akademisch und wirtschaftlich stärksten Regionen Europas. Der Standort bietet mit der Anbindung an ein Flugfeld einzigartige Vorteile. Es ist ein Innovationsumfeld, ein Umfeld für Unternehmertum, für neue Ideen, für Mut, für Ziele. Das, was wir als Universität an Wissen erwerben, können wir hier wieder zurückzugeben an die Gesellschaft. Wir sind hier Teil einer Wissenswertschöpfungskette, die mit und um den Switzerland Innovation Park Zurich entsteht.
Wie muss man sich das konkret vorstellen?
Ein gutes Beispiel dafür ist die Produktion von menschlichem Gewebe in der Schwerelosigkeit. Die Schwerelosigkeit im erdnahen Orbit wird genutzt, um aus menschlichen adulten Stammzellen dreidimensionale organähnliche Gewebe – sogenannte Organoide – zu züchten. Dieser Vorgang ist auf der Erde schwierig, aufwändig, nicht sehr zuverlässig und benötigt viele Hilfsmittel wie Stützskelette – alles nur wegen der Schwerkraft. Wir haben daher an der UZH zusammen mit Airbus ein Verfahren unter Nutzung der Schwerelosigkeit entwickelt, dass den Verfahren auf der Erde weit überlegen ist. Wir haben es zweimal erfolgreich auf der ISS getestet und wurden mit dem Ersten Preis des Orbital Reef Innovation Award ausgezeichnet. Hier im Hangar 4 befindet sich Prometheus Life Technologies, ein Spin-off der Universität, das in unseren biologischen Laboratorien den nächsten Schritt geht, nämlich diese Prozeduren in die kommerzielle Phase zu überführen. Biotechnologische und medizinische Forschung ist einer der Schwerpunkte der UZH, die zu den weltweit forschungsstärksten Universitäten in den Life Sciences gehört.
Haben Sie ein weiteres Beispiel für Themen, die im Space Hub bearbeitet werden?
Die Erdbeobachtung ist ein Anwendungsgebiet, das nahezu endlose Möglichkeiten eröffnet. Dank neuer Sensor- und Detektionstechnologien kann bis ins kleinste Detail die Umwelt unserer Erde aus dem All beobachtet werden, mit einer bisher nicht dagewesenen Präzision und Aussagekraft. Anwendungen finden sich in der Präzisionslandwirtschaft. Man kann genau sehen, wo welche Vegetation wächst, wo es Schädlingsbefall gibt, wo gewässert werden muss oder wie der Bedarf an Düngemitteln ist. Die Erdbeobachtung liefert ein Bild der Erde, ermöglicht die Untersuchung der Biodiversität und das Klimamonitoring. Ohne Erdbeobachtung wären wir in Bezug auf unseren Planeten blind. So einfach ist das. Und die Universität Zürich ist auf diesem Gebiet führend. Flugeinsätze zur Erdbeobachtung wurden schon oft vom Flugplatz Dübendorf aus durchgeführt.
Ebenfalls schon seit längerem werden autonom navigierende schnellfliegende Drohnen getestet. In der autonomen Navigation ist die Universität Zürich ebenfalls weltweit ganz vorne. Diese Drohnen können bei Such- und Rettungseinsätzen eingesetzt werden, in Gebieten, die für den Menschen gefährlich sind, und natürlich dort, wo Menschen aktuell nicht hingelangen können, wie bei der Exploration des Mars.
Wieso befindet sich derzeit die Luft- und Raumfahrt in einem besonders wichtigen Moment?
In den nächsten Dekaden wird der erdnahe Raum viel intensiver genutzt werden als bis anhin. Wir sprechen hier von der New Space Economy: die Nutzbarmachung des unteren Erdorbits für die Wertschöpfung auf der Erde. Mit dem voraussichtlichen Ende der staatlichen Internationalen Raumstation (ISS) Anfang des nächsten Jahrzehntes werden modulare, skalierbare und robuste private Raumstationen den unteren Erdorbit bevölkern. Die Transport- und Nutzungskosten werden massiv sinken. Raumfahrt war bisher vor allem deswegen so teuer, weil hochkomplexe, nicht wiederverwendbare Systeme zum Einsatz kamen, die nur für Forschung und Entwicklung, nicht aber für Serienfertigung konstruiert wurden. In der nächsten Phase kommen robuste und wiederverwendbare Transportsysteme zum Einsatz. Niemand würde ein Flugzeug nach dem Flug wegwerfen. Und schon heute haben wir ein enormes Wissen, um die Schwerelosigkeit zur Produktion von Dingen zu nutzen, die auf der Erde nicht oder nur sehr aufwändig möglich sind. Dazu zählen menschliche Gewebe und Organe, Halbleiter, optische Fasern, bestimmte Schritte in der Medikamentenproduktion, und das ist erst der Anfang. All dieses kann bisher nicht angewendet werden, weil der Transport zu teuer und zu unzuverlässig ist.
Das vollständige Interview kann hier nachgelesen werden.